Mittwoch, 24. Juni 2015

Kein Hoch mehr

Beim Sex im Bett und nirgendwo

Surft man durch das Netz, findet man immer häufiger wissenschaftliche Untersuchungen über die Ursachen für die wie eine Seuche um sich greifende Lustlosigkeit und Lustunfähigkeit in ehelichen und nichtehelichen Partnerschaften. Besonders lustig habe ich jüngst die Behauptung gefunden, die Männer würden zu viele Pornos konsumieren und seien deshalb sexuelle Versager.

Wer sich diesen Porno-Blödsinn einmal angeschaut hat, dem drängt sich dieser Vergleich auf: Würde der FC Barcelona sich vor jedem Spiel eine Begegnung aus der Kreisklasse auf den Balearen anschauen, wäre es vorbei mit der Fußball-Herrlichkeit einfallsreicher Spielzüge und unnachahmlicher Alleingänge mit anschließendem Doppelpass.

Woher ich diesen Porno-Blödsinn kenne? Erst einmal aus Stockholm. Bei einer Dienstreise als Redakteur habe ich dort mit ein paar geilen Männern an einem Tisch gesessen, die unbedingt in eine Porno-Bar wollten, sich aber nicht trauten, jemanden nach solch einer Bar zu fragen. Nach einer Stunde hatte ich von ihrem Gesabbel dermaßen die Nase voll, dass ich die Gruppe auf die Straße lockte und ein Taxi rief. Der Taxi-Fahrer fragte, wo wir hin wollten und ich antwortete ihm: "In den schärfsten Schuppen der Stadt." Die geilen Männer erröteten.

Vor der Bar angekommen, eilten diese Männer über die Straße, als seien ihre Ehefrauen hinter ihnen her und huschten in die Bar. Ich folgte ihnen und gelangte in einen Vorraum. Dort sollte ich eine Pauschale für alle Dienstleistungen in der Bar bezahlen. Das lehnte ich ab. Das Mädel hinter der Theke ließ sich auf einen Pauschalpreis für Getränke herunterhandeln. Schon stand ein Mann neben mir, der aus der Bar gekommen war und der am liebsten im Erdboden versunken wäre, weil er wohl geglaubt hatte, ungesehen wieder verschwinden zu können.

Als ich in die Bar kam, wurde es rötlich-finster. In einem Gang saßen nackte Frauen auf einem Hocker, der Gang führte in einen noch rötlich-finsteren Saal mit einem Netz an der Decke, in dem sich eine Nackte mit einem Vibrator vergnügte, an der Kopfseite des Saales trieben es Paare auf einer Bühne, an den Seitenwänden flimmerten mehrere Pornos über die Riesenbildschirme. Wo man auch hinschaute, überall wurde gefickt, geblasen oder geleckt. Die Luft war stickig, es roch nach Schweiß und Samenergüssen.

Bevor ich die Gruppe der im Hotel geilen Männer erreichte, begegnete ich einer bildschönen Frau. Vielleicht fand ich sie auch nur so wunderschön, weil sie bekleidet war, nur spärlich zwar, aber immerhin. Sie bot mir einen Striptease in einem Separee an, und ich fragte sie, ob sie sich vorstellen könne, dass ich Bock auf noch mehr Nacktes hätte. Das konnte sie sich offenbar auch nicht vorstellen. Nun müssen Sie sich nur noch vorstellen, dass ich zwei Stunden in diesem Saal warten musste, bis die geilen Männer endlich genug hatten.

Außerdem kenne ich diesen Porno-Blödsinn, weil eine Frau nicht locker gelassen hat, bis wir in eine Videothek und dort in die so genannte Erwachsenenabteilung gingen. Sie stand neben mir, während ich mir die Video-Hüllen anschaute. Bei jeder Hülle fragte ich sie, ob wir uns diesen oder doch lieber einen anderen Film ausleihen sollten. Das fand sie peinlich. Noch peinlicher fand sie es, als ich die Videotheken-Mitarbeitern, die eine Kassette in die Hülle steckte, fragte: "Können Sie dafür garantieren, dass wir auch den richtigen Film mitnehmen?" und die Mitarbeiterin mir erklärte, auf jeder Hülle gebe es eine Nummer und auf jeder Kassette auch. Stimmten die Nummern überein...Ich hatte verstanden.

Zu Ende gesehen haben wir diesen Porno nicht. Ich erinnere mich immer noch gut an den Anfang. Ein Mann rammelt von hinten einer Frau, als sei er einem Kaninchenstall entsprungen, in einer Zimmerecke sitzt eine Nackte und spielt mit gelangweiltem Gesichtsausdruck an sich herum. Dann gesellt sie sich zu dem Paar, während ein Diener ungerührt Getränke auf einen Tisch stellt. Die beiden Frauen nippen nun nicht etwa an den Getränken, sondern an der hervorstechendsten Eigenschaft des Mannes und schmatzen dabei, als hätten sie eine Zuckerstange geschenkt bekommen.

So wird das nichts mit lustvollem und mit wildem Sex. Wer den Körper einer Frau nicht immer wieder neu als Abenteuer erlebt, kann auch keine aufregenden Abenteuer erleben. Wer seine Fantasie in ein Porno-Gefängnis steckt, der darf sich nicht darüber wundern, dass er ein Gefangener der Lustlosigkeit und der Lustunfähigkeit wird.

Während meiner Studentenzeit habe ich mit einer Frau die Wörter zusammengesucht, die es in der deutschen Sprache für Sex gibt. Die Zahl ist gering gewesen, am übelsten fanden wir das Wort "Geschlechtsverkehr". Denn Verkehr wird geregelt, Lust ist zügellos und zärtlich zugleich. Lust ist das Schöne, das sich immer neu erfindet und sich über und auf das Erfundene freut. Kaninchen müssen da draußen bleiben...   

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