Dienstag, 10. Mai 2016

Die kleinen Luder

Parkbänke machen alles mit.
Ein Loblied auf die Frechen

Heute Morgen habe ich bei der Suche nach einem Schriftstück einen Brief aus einem Papierstapel gezogen, der mit "Dein kleines Luder" unterschrieben war. Langsam kam die Erinnerung wieder an eine blonde Schönheit in Mini-Rock und knappem Top, die neben mir auf einer Parkbank sitzend behauptete, wenn es um Sex gehe sei sie experimentierfreudiger als ich. 

"Warum erzählst du mir das und woher willst du das wissen?", fragte ich sie. Sie antwortete: "Warum wohl?" Warum wohl bekamen wir nach einem Disco-Besuch in einem Waldstück, und ich musste zugeben: Es war etwas dran an ihrer Behauptung. Eine falsche Tatsachenbehauptung konnte ich ihr nicht vorwerfen, als sie auf mir sitzend ihre blonden langen Haare zurückwarf.

Jahre später schrieb sie mir den "Luder-Brief", vergessen hatte sie mich also nicht. Bis dahin hatte ich weitere "kleine Luder" kennengelernt, eine brachte mich sogar aus der Fassung. Nicht, weil sie ein "kleines Luder" war, sondern weil sie behauptete, ich sei eifersüchtig, wenn sie ohne mich um die Häuser ziehe. Das hätte sie wohl gern so gehabt.

Mit einem "kleinen Luder" verbrachte ich so viel Zeit im Badezimmer meiner Eltern, dass keine Zweifel mehr daran bestehen konnten, was wir hinter verschlossener Tür trieben. Als wir jedoch in die Küche zurückkehrten, taten meine Mutter und mein Vater so, als hätten sie uns gar nicht vermisst. 

Doch irgendwann platzte meinem Vater der Kragen. Als ich einen Besuch in weiblicher Begleitung ankündigte, gab er mir die eindeutige Anweisung: "Sag mir, wie sie heißt. Ich komme mir immer so dämlich vor, wenn ich denke, du bringst eine Frau mit, die ich schon kenne, und dann kenne ich die Frau gar nicht." Das leuchtete mir ein. Das war nicht gut.

Aber sonst freuten sich die "kleinen Luder" und ich, wenn die anderen nicht gut fanden, was wir taten. Je mehr sie sich aufregten, desto besser. Wir gönnten uns ja sonst nichts...

Damals wusste ich gar nicht, dass es auch zu jener Zeit Leute gab, die sich als Sektenmitglieder auf den Weltuntergang freuten, also auch auf die Vernichtung der "kleinen Luder". Einige dieser Leute kehrten diesen Sekten inzwischen den Rücken, weil die Welt nicht untergegangen ist und beschweren sich nun darüber, dass sie belogen worden seien als sei der Weltuntergang ein erstrebenswertes Ziel. Diese Aussteiger-Rücken sind bestimmt nicht so entzückend wie die Rücken der "kleinen Luder".

Merke: Du darfst frech sein, wenn man sich auch sonst immer auf dich verlassen kann. Denn "kleine Luder" lügen nicht.     

Montag, 2. Mai 2016

Unvergänglich

Beziehungen, zu denen ein Lied gehört

"Ti amo": Sie sitzt schräg vor mir, hat einen Taschenspiegel in der Hand, beobachtet mich. Nach der Schulstunde drückt sie mir einen kleinen Zettel in die Hand. Auf dem steht "ti amo". Dieses Lied spielen sie bei unserem ersten Rendezvous auch in einer Szenekneipe. "Ist das Zufall?", fragt sie.

Gehört ein Lied zu einer Beziehung, dann vergisst man weder Lied noch Beziehung.

"I swear": Die Kinder auf der Rückbank singen dieses Lied aus dem Autoradio mit. Wir sind auf dem Weg nach Essen zu einer Demo gegen Ausländerfeindlichkeit. Anschließend fahren wir nach Köln, ich trage den Jungen auf meinem Rücken die Treppe zur Domplatte hoch. Die Mutter sagt: "Du tust dem Jungen gut."

"So long, Marianne": Sie liegt nackt neben mir auf dem Bett, hat eine Platte von Leonhard Cohen aufgelegt. Wir necken uns mit Wortspielen über Sex.

"A whiter shade of pal": Wenn sie auf mich zu hottet, spüre ich ihre Brustwarzen unter ihrer Bluse, die mich berühren. Sie schaut mich schelmisch an. "Ist was?" "Nö", sage ich.

Hat eine Beziehung kein Lied, vergisst man sie schnell wieder.

"Manchmal, aber nur manchmal haben Frauen ein kleines bisschen Haue gern", singen Sohnemann und ich, als die Mutter mit ihrem Kind schimpft.

"Wenn dir jemand schwört, dass er dich liebt, es keinen anderen Menschen für dich gibt, wirst du es dann glauben oder nicht, wirst du dich entscheiden für das Licht? Steh auf..."Das erste Mal sehe ich sie in Bochum. Bei einem Seminar. Sie geht plötzlich. Das zweite Mal sehe ich sie bei einem Seminar in Hannover. Wir gehen zu mir. Sofort. Sie spricht von Selbstmord. Ich ziehe sie zu einem Spiegel, sie soll sich betrachten, um zu sehen, wie schön sie ist. Danach sitzen wir in der Badewanne. Sie wäscht ihre blonden Haare. Macht einen glücklichen Eindruck, ruht in sich.

"Amsterdam": Sie ist bei einer Redaktionskonferenz in meine kleine Welt gekommen, ruft mich am nächsten Tag an, will mich wiedersehen. Wir können nicht voneinander lassen. 

"Hello": Endlich hat sie den Fernseher ausgemacht, das Smartphone beiseite gelegt. "So besser?", fragt sie. Ich könnte sie stundenlang betrachten, werde nicht schlau aus ihr. Doch das muss ich auch nicht.